Stahlhelm
Unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gründete der Hauptmann der Reserve Franz Seldte am 25. Dezember 1918 den Stahlhelm-Bund der Frontsoldaten in Magdeburg. Seldte war nach einer schweren Verwundung 1917 bei der Militärischen Abteilung des Auswärtigen Amtes eingesetzt worden. Der paramilitärisch organisierte Stahlhelm lehnte die Weimarer Republik ab und verwehrte jüdischen Frontsoldaten die Mitgliedschaft. Er stand der Deutschnationalen Volkspartei) nahe, für die er den Saalschutz bei Vernanstaltungen übernahm.
In Baden sind keine frühen Ortsgruppen (OG) nachgewiesen, dennoch wurde die Organisation im September 1922 aufgrund des Republikschutzgesetzes hier verboten. Erst im Oktober 1924 berichtete das Badische Landespolizeiamt, dass der Stahlhelm in Baden Fuß gefasst habe. Am 17. Oktober 1924 wurde eine Ortsgruppe in Karlsruhe gegründet, als vorläufiger Leiter fungierte der in der Amalienstraße 71 wohnhafte Walter Weis. Unter seiner Leitung fand wenig später die zweite Vollversammlung statt. Karlsruher Mitgliederzahlen sind für diese Frühzeit nicht bekannt, doch das Landespolizeiamt schätzte Anfang 1925, dass es in ganz Baden wohl keine 50 Stahlhelmmitglieder gebe.
Der sozialdemokratische Volksfreund berichtete Anfang April 1925 über eine rege Propaganda der Ortsgruppe Karlsruhe, die vorgebe, parteipolitsch neutral zu sein. Welcher Richtung der Stahlhelm aber angehörte, belegten laut Volksfreund die Unterstützung des rechten Kandidaten Karl Jarres bei der Reichspräsidentenwahl und die Ablehnung der Reichsflagge schwarz-rot-gold sowie das Festhalten an der schwarz-weiß-roten des Kaiserreichs, die für eine Gegnerschaft zur Weimarer Republik stand. Die Ortgruppe hatte inzwischen 72 Mitglieder, davon 15 Jugendliche und fünf Mitglieder des Landsturms. An der Beisetzung des Hitlerjungen Fritz Kröber, der bei einer Straßenschlacht in Durlach getötet worden war, nahmen Ende April 1925 neben dem Stahlhelm nahezu alle in Baden aktiven rechten Verbände und Organisationen teil, wie der Jungdeutsche Orden, der Landesverband Baden des Deutschen Offiziersbundes, die Ortsgruppe Durlach der Mädchengruppe des Schlageterbundes, die Nationale Studentenschaft der Technischen Hochschule (TH) Karlsruhe, der Ortsausschuss Karlsruhe des Reichsblocks, der Schlageterbund Pforzheim und Bruchsal, die Bismarckjugend Karlsruhe und Graben, die Wirtschaftliche Vereinigung Durlach, die Korporationen der TH Karlsruhe, der Blücherbund, der Wehrwolf und Wikingbund Pforzheim, die Ortgruppe Neureut des Schlageterbundes, die Ortsgruppen Karlsruhe und Durlach des Frontkriegerbundes, der Wehrwolf Karlsruhe, der Wikingbund Königsbach, die Großdeutsche Jugend Durlach, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) Durlach, der Landesleiter des Schlageterbundes und "einige nationale Frauen von Durlach".
Der Führer der Ortsgruppe Walter Weiss legte in diesem Jahr sein Amt nieder, da er sich innerhalb des Landesverbands engagieren wollte. 1926 firmierte er aber in der Geschäftsstelle des Landesverbandes in der Amalienstraße als Geschäftsführer. Eine Feier zum Geburtstag Hindenburgs am 8. Oktober 1925 zog 200 Personen an, darunter etwa 50 Mitglieder der Organisation Rossbach, zuvor Schlageterbund. Zur Feier des einjährigen Bestehens betonte der "Jungstahlhelmführer", dass sich die OG zu einer "achtungsgebietenden Größe" entwickelt habe und "auf dem Boden der Verfassung stehend … bislang alles vermieden" habe, "was zu Auseinandersetzungen mit Behörden oder anders gerichteten Verbänden hätte führen können ...".
Am 12. November 1925 schlossen sich Stahlhelm und weitere rechtsgerichtete Organsiationen den Vereinigten Vaterländischen Verbänden an. Der Stahlhelm gehörte auch zu den 15 rechtsgerichteten Verbänden und Vereinen, die gegen das Verbot der alten Reichsflagge schwarz-weiß-rot beim Besuch Hindenburgs in Karlsruhe an eben diesem Tag durch die Badische Regierung protestierten.
Im Juli 1926 wurde Walter Weiss zu sechs Monaten Gefängnis wegen Beleidigung badischer Minister verurteilt. Beim 1. Landesverbandstag in Pforzheim am 2./3. April 1927 sollen circa 600 Personen teilgenommen haben. Die größten Ortsgruppen hatte der Stahlhelm in Mannheim mit 1.178 und in Pforzheim mit 600 Mitgliedern. Mit deutlichem Abstand folgte Karlsruhe/Durlach mit 276. Die Mitgliederzahl in ganz Baden betrug 2.678 Mitglieder. Zur Stadtverordnetenwahl am 14. November 1926 schloss der Stahlhelm eine gemeinsame Liste mit Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und Deutschvölkischer Freiheitsbewegung, die zusammen aber dennoch nur 10,8 % der Stimmen erreichten.
Ende 1927 änderte der Stahlhelm seine Organisationsstruktur, an die Stelle der Gaue traten nun vier Kreise (Mannheim, Pforzheim, Freiburg und Konstanz). 1929 konnte der Landesführer Major a. D. Georg von Neufville, der 1933 der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und deren Sturmabteilung (SA) beitrat, auf eine fünfjährige Amtszeit zurückblicken. Als offizielles Organ fungierte die Parteizeitung der DNVP, die Badische Zeitung. Leiter der Pressestelle war 1929 weiterhin Walter Weiß. Die Leitung der Ortsgruppe hatte der Oberleutnant a. D. Friedrich Senff übernommen, der 1933 stellvertretender Landesvorsitzender war. In der Endphase der Weimarer Republik leitete der Diplomingenieur und Oberleutnant a. D. Dr. Robert Lienau die Ortsgruppe. Das Badische Landespolizeiamt sah in der Organisation aber keine allzu große Gefahr, da sie zwar viele Mitglieder habe, von denen aber nur wenige aktiv seien. Der Stahlhelm war auch wieder zur Gaueinteilung zurückgekehrt. Karlsruhe gehörte zu dem von Major a. D. Hildenbrand geleiteten Gau Nord-Schwarzwald.
Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP fand am 20. Mai 1933 eine große Stahlhelmkundgebung im voll besetzten großen Festhallensaal statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Franz Seldte schon angekündigt, dass sich der Stahlhelm dem "Führer" unterstelle, die Kampforganisation der DNVP wurde schon 1933/1934 gleichgeschaltet und ging weitgehend in der Sturmabteilung (SA) auf. Der verbliebene Rest firmierte nun als Nationalsozialistischer Deutscher Frontkämpferbund (Stahlhelm). Dieser löste sich im November 1935 schließlich auf. Auch der Bund Königin Luise, bis 1928 inoffizielle Frauenorganisation des Stahlhelms, schloss sich Ende 1934 dem nationalsozialistischen Deutschen Frauenwerk an.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Köln 1951 zu einer Neugründung des Stahlhelm, dessen Präsident der verurteilte Kriegsverbrecher Albert Kesselring wurde. In Karlsruhe bestand schon ein Jahr später eine Ortsgruppe, die bis in die 1980-er Jahre nachgewiesen ist.
Quellen
GLA 309/6160-6161, 233/28388; Staatsarchiv Freiburg A 96/1 1617, https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/bild_zoom/thumbnails.php?bestand=22869&id=2369155&syssuche=1617&logik=und; Karlsruher Zeitungen 1920 bis 1934, https://digital.blb-karlsruhe.de/topic/view/7756828 (Zugriff jeweils am 4. November 2024).
Literatur
Volker R. Berghahn: Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918–1935, Düsseldorf 1966 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Band 33); Dennis Werberg: Der Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten. Eine Veteranenorganisation und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. Oldenbourg, Berlin 2023 (= Zeitalter der Weltkriege Band 25).