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Hermann Schmeiser


Hermann Schmeiser

Hermann Schmeiser, um 1898, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schmeiser 16808.
Hermann Schmeiser, um 1898, Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schmeiser 16808.

Fotografenmeister, * 23. Juni 1878 Karlsruhe, † 29. Mai 1955 Karlsruhe, ∞ 1912 Maria Förster, 2 Söhne.

Der Sohn eines im Dörfle ansässigen Viktualienhändlers gründete 1908 ein Fotoatelier in der Amalienstraße 85 in Nachbarschaft zu den in der gleichen Straße bereits zu Beginn der Kaiserzeit vorhandenen Studios der Fotografen Carl Ruf und Theodor Schuhmann & Sohn. Dort widmete er sich vorwiegend der Atelierfotografie alter Schule und nahm etwa Hochzeitspaare und bürgerliche Honoratioren vor gemalter Kulisse auf. Aus dieser Zeit existieren aber auch schon einige seiner Außenaufnahmen zum Beispiel von Häusern der Altstadt mit deren Bewohnern, vom alten und vom neuen Hauptbahnhof zur Zeit seiner Erbauung sowie Momentaufnahmen von Großherzog Friedrich I. und seiner Gemahlin Luise bei Veranstaltungen, die teilweise nicht in den Fotobestand seines Ateliers eingegangen, sondern in der Plan- und Bildersammlung des Stadtarchivs Karlsruhe überliefert sind.

Wo Schmeiser nach dem Besuch der Höheren Bürgerschule ausgebildet wurde, ist nicht bekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass er bei einem der um 1900 über einem Dutzend im Karlsruher Adressbuch verzeichneten Atelierfotografen in die Lehre ging und später dort beschäftigt wurde. Er selbst ist dort bis 1907 nicht aufgeführt, da er noch im Haushalt seiner Eltern über deren Kolonialwarenladen in der Waldhornstraße 58 wohnte. Nach den Lebenserinnerungen seines Großneffen Dietmar Schmeiser lebte und arbeitete er außerdem nach der Jahrhundertwende eine Zeit lang in Paris. Dort gab es damals bereits über hundert Fotostudios, darunter das erfolgreiche mehrere Mitarbeiter beschäftigende Atelier von Léopold-Émile Reutlinger, dessen Vater Emil und dessen Onkel, der ehemalige Wanderfotograf und Firmengründer Carl Reutlinger, ebenfalls aus Karlsruhe stammten.

1920 übernahm Schmeiser das von dem Fotografen Josef Mürnseer im Rückgebäude der Rüppurrer Straße 16 im Jahr 1893 eingerichtete Atelier in der Südstadt und dessen Kundenstamm, der nun auch aus der in diesem Stadtteil wohnenden Arbeiterschaft bestand, die in der Karlsruher Industrie und bei der Eisenbahn beschäftigt war. Daneben bekam Schmeiser den Auftrag, Portraitaufnahmen von allen badischen Landtagsabgeordneten zu fertigen, ein Bestand, der heute im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrt wird. Die Portraitfotografie sollte künftig die Geschäftsgrundlage für sein Atelier werden, da für Ausweisdokumente zunehmend Passbilder üblich und Ende der 1930er-Jahre verpflichtend eingeführt wurden. Ein weiteres Standbein schuf sich Schmeiser mit Werbeaufnahmen von Karlsruher Firmen, Unternehmen und Geschäften. Darüber hinaus hielt er auch viele Menschen und deren Kinder bei Familienfeiern und Vereinsfesten im Bilde fest. Dazu gehören etwa Aufnahmen von der Einweihung des Indianerbrunnens auf dem Werderplatz oder des Indianervereins der Südstadt, der sich vor dem Nachbarhaus seines Ateliers präsentierte.

Im Vorderhaus der Rüppurrer Straße 16 richtete Schmeiser ein kleines Ladengeschäft hauptsächlich für den Amateursektor ein, in dem er neben handlichen Klappkameras für Platten und Planfilme zunehmend auch preiswerte Boxkameras für Rollfilme und die ersten Kleinbildkameras, wie die Leica, die 1925 auf den Markt kam, anbot. Er selbst blieb stets der Fotografie auf Glasplatten bis in die Nachkriegszeit treu. Nachdem er nach 1936 auch Wehrmachtsangehörige abgelichtet hatte, gehörten nun Soldaten der US-Armee zu seinen Kunden. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Berthold das Atelier, der unter anderem die Besuche von Konrad Adenauer und Heinrich Lübke in Karlsruhe dokumentierte. 1980 wurde dessen Sohn Thorolf Peter Schmeiser sein Nachfolger, der das Atelier aber bald darauf schloss.

1993 verkaufte dieser den mehrere zehntausend Glasplatten umfassenden Fotobestand mit den Auftragsbüchern an das Stadtarchiv Karlsruhe, da das Rückgebäude Rüppurrer Straße 16 abgerissen werden sollte. Mithilfe der Kulturgutstiftung Baden-Württemberg konnte dieser Bestand mittlerweile fast vollständig im Stadtarchiv digitalisiert und erfasst werden, so dass er dort am PC durchgesehen werden kann. Er steht der Allgemeinheit nun somit als einzigartige Quelle für stadthistorische, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche sowie familienkundliche Recherchen zur Verfügung.

Peter Pretsch 2024

Literatur

Veronika Hoffmann: 80.000 historische Fotos. Der Nachlass des Fotoateliers Schmeiser, in: Blick in die Geschichte. Karlsruher stadthistorische Beiträge, Bd. 4, 2003-2008, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Manfred Koch, Karlsruhe 2009, S. 98-99; Selina Küst: Das Bildarchiv Schmeiser, in: Stadtarchiv Karlsruhe. Gedächtnis der Stadt, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe durch Ernst Otto Bräunche, Karlsruhe 2010, S. 49-52; Dietmar Schmeiser: Bunsenstraße Nr. 3. Kindheit in den Ruinen einer Großstadt, Karlsruhe 20172, S. 221-223; Jacqueline Berl/Angelika Herkert/H. Felix Gross/Peter Pretsch: Vom Lichtbild zum Schnappschuss. Fotografie in Karlsruhe 1840 bis 1990, Begleitheft zur Ausstellung des Stadtmuseums im Prinz-Max-Palais, Karlsruhe 2019, S. 20-23.