Landgraben
1588 wurde der Landgraben unter Markgraf Ernst Friedrich vom Schloss Gottesaue bis zur Alb in Mühlburg angelegt. Der offene Kanal diente zur Entwässerung der Niederungsgebiete zwischen Durlach und Ettlingen. Nach der Stadtgründung durchfloss er als einziges Gewässer das entstehende Stadtgebiet von Osten nach Westen und nahm damit auch Einfluss auf Verlauf und Gestalt von Straßen und Plätzen. Er wurde zum Abwassergraben der Bevölkerung für Küchenabfälle und Straßenschmutz. 1768 wurde der Landgraben nach Osten bis zur Pfinz verlängert und diente als sogenannter Steinschiffkanal für den Stein- und Holztransport aus dem Pfinztal. 1794 erteilte Markgraf Karl Friedrich einem Müller in Mühlburg die Konzession, am Landgraben eine Mühle zu errichten. Der ständige Stau von einem Meter Höhe brachte eine schnelle Verschlammung des Gewässers mit sich und führte bei niedrigem Wasserstand zu erheblichen Geruchsbelästigungen in der Stadt, wie dies der Dichter Heinrich Vierordt eindrucksvoll schilderte: "Noch rann, trägflüssig und trübflutig, der übelduftende Landgraben unüberwölbt und überall sichtbar durch die Stadt. Sah man von der Straße hinab auf das schwärzliche unheimliche Gewässer, darauf zerfetzte Zeitungen, abgebrochene Besenstiele, tote Katzen und ähnlich stolze Geschwader dem Rhein zu gen Niederland treiben, mochte man beinahe wähnen, in das Tal des Styx hinunterzustarren ..."
Mit einem Gewölbe über dem Graben versuchte man schon im frühen 19. Jahrhundert, diese Belästigungen zu mindern, kam aber nicht über Einzelmaßnahmen wie etwa am Marktplatz, am Lidellplatz oder in der heutigen Steinstraße hinaus. Seit 1877 wurde der Landgraben von Stadtbaumeister Hermann Schück als Hauptsammelkanal ausgebaut und seine Sohle vertieft sowie im gesamten Stadtgebiet überwölbt. Mit der Landgrabenkorrektur war der Grundstein für eine moderne Kanalisation gelegt. Ab dem Jahre 1883 wurde mit dem systematischen Ausbau des Kanalnetzes begonnen. Die Schücksche Lösung sah zunächst noch keine Fäkalienabschwemmung aus den Häusern vor. Es blieb beim Grubenbetrieb, da man die Einführung von Wasserklosetts für die arbeitende Bevölkerung für zu kostspielig hielt. Zum anderen scheute man sich, die Fäkalien direkt in die Flüsse einzuleiten. Dennoch beschwerten sich zum Beispiel Knielinger Waschfrauen über Fäkalien, die in der Alb vorbeischwammen.
Nachdem die Stadt die Wasserrechte von dem Müller am Landgraben erworben hatte, konnte bis 1885 die Landgrabenkorrektion vollendet werden. So entstand mit einem Querschnitt von siebzehn Quadratmetern der zur damaligen Zeit zweitgrößte Abwassersammelkanal in Europa. Mit einer "Kahnpartie" übergab Großherzog Friedrich I. das unterirdische Bauwerk seiner Bestimmung. Nach der Einführung der wassergespülten Klosetts genehmigte der Bürgerausschuss 1893 den Ausbau der Kanalisation für die Fäkalienabschwemmung. Das Klärwerk in Neureut nahm 1913 seinen Betrieb auf. Der Ausbau der Sammelkanäle wurde erst 1920 abgeschlossen. Seit Oktober 2002 können interessierte Besuchergruppen einen Blick in die Unterwelt am Einstieg am Lameyplatz nach Voranmeldung werfen und an speziellen Führungen zu Geschichte und Funktion des Landgrabens teilnehmen.
Quelle
KA-News vom 14. Dezember 2022, https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/wie-der-unterirdische-landgraben-das-stadtbild-von-karlsruhe-formte-art-2886374 (Zugriff am 10. Juni 2024).
Literatur
Ulrike Plate: Der Landgraben in Karlsruhe, in: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege, Bd. 27 Nr. 4 (1998), S. 239-243, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/view/13230; Peter-Paul Reinle: Der Landgraben, in: Das Dörfle - Altstadt Karlsruhe. Streifzüge durch die Ortsgeschichte, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe und vom Bürgerverein Altstadt durch Peter Pretsch, Karlsruhe 2012, S. 27-30.