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Der Badische Frauenverein (BFV)


Der Badische Frauenverein (BFV)

Statuten für den Badischen Frauenverein 1871, Pfinzgaumusuem O 102.
Statuten für den Badischen Frauenverein 1871, Pfinzgaumusuem O 102.
Geschäftsgehilfinnenheim des Badischen Frauenvereins Ecke Herrenstraße/Blumenstraße, 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVe 108.
Geschäftsgehilfinnenheim des Badischen Frauenvereins Ecke Herrenstraße/Blumenstraße, 1900, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS oXIVe 108.
Kochschule Durlach des Badischen Frauenvereins in der ehemaligen Gaststätte Karlsburg, um 1910, Pfinzgaumuseum U II 234.
Kochschule Durlach des Badischen Frauenvereins in der ehemaligen Gaststätte Karlsburg, um 1910, Pfinzgaumuseum U II 234.
Aufnahmeurkunde für den Zweigverein Knielingen, 15. Dezember 1906, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 714.
Aufnahmeurkunde für den Zweigverein Knielingen, 15. Dezember 1906, Stadtarchiv Karlsruhe  8/PBS X 714.
Gedenkblatt des Badischen Frauenvereins, 16. Juni 1909, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 1743.
Gedenkblatt des Badischen Frauenvereins, 16. Juni 1909, Stadtarchiv Karlsruhe 8/PBS X 1743.

Für die badische Sozialpolitik und auch für das Gesundheits- und Krankenwesen in Karlsruhe gewann vor allem der Badische Frauenverein eine große Bedeutung. Er wurde anlässlich des österreichisch-italienischen Krieges 1859 von einigen Karlsruher Damen gegründet, um im Fall einer badischen Beteiligung am Kriegsgeschehen weiblich unterstützend wirken zu können. Der Krieg erreichte Baden nicht, doch Großherzogin Luise wirkte tatkräftig darauf hin, dass der Verein zu einer landesweiten Frauenorganisation ausgebaut wurde, die von Anfang an die Unterstützung der örtlichen Ämter und Oberämter sowie der evangelischen und katholischen Geistlichen erhielt. Ziele des Vereins waren die Unterstützung der Armenfürsorge und Kindererziehung, die Schaffung neuer Berufe für unverheiratete unversorgte Frauen und der Aufbau einer Krankenpflege.

Bald schon hatte der BFV Zweigvereine und war nach einigen Jahrzehnten landesweit, wenn auch regional unterschiedlich ausgeprägt, vertreten. Die Statuten von 1873 sahen neben der Zentrale des Landesvereins mit Sitz in Karlsruhe und den über ganz Baden verteilten Zweigvereinen auch einen Karlsruher Ortsverein vor. Anders als die Zweigvereine, die jeweils eine gewisse Eigenständigkeit hatten, war der Karlsruher Ortsverein fast untrennbar mit dem Vorstand des Landesvereins verbunden. Dadurch hatten die Karlsruherinnen eine sehr einflussreiche Stellung; so durften Änderungen der Satzung nur mit ihrer Zustimmung vorgenommen werden. Erst 1922 wurden die Karlsruher Einrichtungen vom Landesverein gelöst, indem man einen Zweigverein Karlsruhe bildete.

Die Statistik der Frauenorganisationen im Deutschen Reich von 1908 nannte 385 Zweigvereine mit insgesamt 75.305 Mitgliedern und einem Gesamtvermögen von 1.748.889 Mark. Hinzu kamen zahlreiche Gebäude. Die einzelnen Ortsvereine standen, über das Zentralkommitee in Karlsruhe vermittelt, im Kontakt zueinander, so dass eine landesweite, gut vernetzte Organisation entstand. Vor allem das seit Oktober 1876 zweimal monatlich in Karlsruhe herausgegebene Vereinsorgan "Blätter des Badischen Frauenvereins" ermöglichte nach innen und außen eine gute Kommunikation und die Verbreitung der eigenen Ideen.

Es ist kaum möglich, alle Institutionen, die der Verein landesweit in der Kranken-, Armen- und Kinderpflege, der Förderung der weiblichen Berufstätigkeit und der Ausbildung bis 1914 aufbaute, aufzuzählen. Allein in Karlsruhe hatte der Verein 1915 über 20 Adressen von Krankenhäusern, Schulen, Kinderkrippen und Säuglingsfürsorgestellen sowie einer Bibliothek, Koch- und Nähschulen und dem Mutterhaus für Krankenschwestern.

Der BFV schloss sich als konservativer, sogenannter vaterländischer, Verein nicht dem Bund Deutscher Frauenvereine, der zentralen Organisation der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung, an. Er unterstützte auch nicht die Bemühungen um das Frauenstudium und lehnte die politische Gleichberechtigung der Frauen ab. Viele Einrichtungen des Vereins hatten jedoch das Ziel, Frauen Erwerbsmöglichkeiten zu eröffnen: neue Berufsfelder wurden entwickelt und neue Ausbildungs- und Bildungsinstitutionen betrieben, so dass Frauen auch jenseits der Ehe versorgt waren bzw. für sich selbst sorgen konnten. Der Verein schuf damit im Großherzogtum Baden ein günstiges Klima für den Weg der Frauen in die Gleichberechtigung.

Im Bereich der Armenfürsorge, die sich vor allem an die ärmeren Schwestern richtete, zielten die Bemühungen des BFV nicht vorrangig auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder materiellen Lebensverhältnisse. Vielmehr mühten sich die Damen, erziehend und belehrend Frauen und Mädchen der Arbeiterschicht zu guten Hausfrauen werden zu lassen. Verbunden war dies mit dem Ziel, die Gefahren einer sozialen Revolution, die von der Sozialdemokratie und von den Gewerkschaften ausgingen, zu dämmen. In der Annahme, ein gut gekochtes Abendessen und eine behaglich eingerichtete Wohnung hielten den Mann davon ab, ins Wirtshaus zu gehen, wo die Sozialdemokraten tagten, lag die Hoffnung, befriedend in die Gesellschaft wirken zu können. Dieser Ansatz, flankierend zum repressiven Umgang des Staates mit der Arbeiterbewegung, vor allem über die Frauen erzieherisch auf die unteren Schichten einzuwirken, wurde zu einem prägenden Moment der Sozial- und damit Innenpolitik des BFV und seiner Protektorin Großherzogin Luise in den nun folgenden Jahrzehnten. Sozialdisziplinierend richtete man sich explizit an die jungen, vom Lande in die Stadt ziehenden Frauen, die in den Fabriken auf Arbeit hofften. Gegen die Verlockungen des Tanzsaales unterhielten die Damen Wohnheime und richteten abendliche Zusammenkünfte aus, die neben allen erzieherischen Maßnahmen auch Schutzräume boten.

Darüber hinaus etablierte der BFV eine weibliche Krankenpflege. Großherzogin Luise wurde zu einer Pionierin bei der Organisation des Deutschen Roten Kreuzes. So schloss sich Baden sogleich der 1864 beschlossenen Genfer Konvention an und konnte zu Beginn des Preußisch-Österreichischen Krieges 1866 – Baden stand auf Seiten Österreichs – erstmals ausgebildete Krankenpflegerinnen in die Kriegslazarette schicken. Der BFV wurde auch Mitglied des 1871 gegründeten Verbandes Deutscher Frauenvereine vom Roten Kreuz.

Mit Beginn des Deutsch-Französischen Krieges entfalteten die Frauen wiederum eine rege Tätigkeit, die von der Errichtung und Verwaltung von Reservelazaretten über die Ausrüstung und Stellung von Wärterinnen für die Kriegs- und Garnisonslazarette bis zur Sammlung von Gebrauchsgegenständen und Geldern für die Soldaten und deren Familien reichte. Die in Karlsruhe beim Frauenverein angestellten und versicherten 41 Krankenwärterinnen wurden sofort zur Verfügung gestellt und weitere 200 Frauen in der Krankenpflege ausgebildet.

Im November 1866 hatte der Verein in einem Seitengebäude des Gartenschlösschens in der Herrenstraße eine Vereinsklinik mit Krankenpflegestation. Das war das erste vom Frauenverein getragene Krankenhaus. Es hatte anfangs sieben Betten und war eine Klinik für chirurgische Fälle und Frauenkrankheiten und für Augenkranke, in der auch Krankenschwestern ausgebildet wurden. Die aus dem Luisenhaus übernommenen Wärterinnen zogen in Räume des Hauptgebäudes des Schlösschens, das Mutterhaus für die Schwestern.

Ein Vierteljahrhundert später, in den Jahren 1887 bis 1890 wurde mit einem Kostenaufwand von 3,25 Millionen Mark in der Kaiserallee ein neues Vereinsklinikgebäude errichtet, das Ludwig-Wilhelm-Krankenhaus mit einer chirurgischen, gynäkologischen und einer Augenabteilung, die über 79 Krankenbetten verfügten. Dieses Haus, benannt nach dem verstorbenen Sohn des Großherzoglichen Paares, war zugleich das Mutterhaus für den gesamten badischen Schwesternverband. In den folgenden Jahren erfuhren die Klinik und das Mutterhaus einige Erweiterungen. So wurde unter anderem 1892 ein Wöchnerinnenasyl für Minderbemittelte und für bedürftige Ehefrauen in Karlsruhe eröffnet, in dem 1908 fast 500 Frauen waren und das unter dem Vorsitz Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Prinzessin Wilhelm von Baden stand.

Für die Krankenschwestern erbaute der BFV 1904 ein Altersheim, das Luisenheim, und ein weiteres Gebäude für Schwesternschülerinnen. Der Baukostenaufwand wurde aus Schenkungen und Sammlungen gedeckt. Bis 1923 blieb das Ludwig-Wilhelm-Krankenhaus, das in den folgenden Jahren weitere Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen erfuhr, in der Verwaltung und finanziellen Trägerschaft des BFV. Ab 1891 errichtete der Frauenverein in weiteren Stadtteilen Pflegestationen.

Auch im Städtischen Krankenhaus arbeiteten Rot-Kreuz-Schwestern. Im Jahr 1902 überließ der Frauenverein der Stadt bzw. der städtischen Krankenhauskommission 18 Krankenschwestern und eine Oberin für das Krankenhaus und eine Schwester für die Ambulanz im Rathaus.

Dass Frauen in Baden früher den Zugang zur Kommunalpolitik, die Einbeziehung in die Armenfürsorge und die Eröffnung neuer Berufsfelder erlebten, lag zu einem großen Teil an dem Badischen Frauenverein. Auch wirkte die Tatsache, dass in dem BFV im Unterschied zu anderen vaterländischen Vereinen Frauen führende Funktionen wahrnahmen, emanzipierend. Zwar lag die Geschäftsführung in den Händen eines Mannes – Frauen waren rechtlich nicht voll umfänglich geschäftsfähig -, aber den einzelnen Abteilungen des Vereins standen Präsidentinnen vor, die im Zentralkomitee vertreten waren. In der Armenfürsorge, in dem Betreiben von Ausbildungseinrichtungen, in der Organisation von Krankenpflege, leisteten Frauen für die Sozial- und Innenpolitik wichtige Beiträge.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs übernahm die öffentliche Hand zahlreiche Institutionen des Vereins. So pachtete ab 1923 der badische Staat das Ludwig-Wilhelm-Krankenhaus, um dort die Landesfrauenklinik mit Landeshebammenanstalt unterzubringen, bis das Gebäude 1944 bei einem Luftangriff zerstört wurde.

In der Zeit der Weimarer Republik verlor der BFV an Bedeutung. Er blieb aber der größte badische Frauenverband mit einer Demokratisierung seiner Strukturen und erhielt 1929 eine Präsidentin. Für die Nationalsozialisten war diese große Frauenorganisation beunruhigend und verlockend zugleich. Zum einen war man auf die Einrichtungen des Roten Kreuzes vor allem mit Blick auf den geplanten Krieg angewiesen, zum anderen konnte eine so große eigenständige Einrichtung wie der badische Frauenverein von einer Politik der Gleichschaltung der Bevölkerung nicht geduldet werden. Schrittweise erfolgte die Übernahme seiner Tätigkeiten, bis der BFV schließlich am 9. Dezember 1937 aufgelöst wurde. Damit endete die Geschichte einer Organisation, die nicht nur für die Frauen, sondern für die gesamte Gesellschaft Badens wertvolle Beiträge für die Sozial- und Bildungspolitik und für den Weg in die gesellschaftliche Gleichberechtigung der Geschlechter geleistet hatte.

Susanne Asche 2024

Literatur

Susanne Asche: Der Badische Frauenverein (1859-1937). Ein Weg der Badenerinnen in die Gleichberechtigung, in: Blick in die Geschichte 140, 2024 https://stadtgeschichte.karlsruhe.de/stadtarchiv/blick-in-die-geschichte/ausgaben/blick-140/badischer-frauenverein-1859-1937(Zugriff am 20. Oktober 2024; dieselbe: Fürsorge, Partizipation und Gleichberechtigung – die Leistungen der Karlsruherinnen für die Entwicklung der Gleichberechtigung (1859-1914), in: Susanne Asche/Barbara Guttmann/Olivia Hochstrasser/Sigrid Schambach/Lisa Sterr: Karlsruher Frauen 1715-1945. Eine Stadtgeschichte, Karlsruhe 1992, S. 171-256, S. 205 ff. (= Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 15), Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 2. September 2022); dieselbe: Residenzstadt – Bürgerstadt – Großstadt. Auf dem Weg von der Residenz zum Industrie- und Verwaltungszentrum, in: Susanne Asche/Ernst Otto Bräunche/Manfred Koch/Heinz Schmitt/Christina Wagner: Karlsruhe. Die Stadtgeschichte, Karlsruhe 1998, S. 191-356, S. 326 ff., Buch zum Download (PDF) (Zugriff am 30. August 2024); dieselbe: Der Kochtopf im Klassenkampf. Die Innen- und Sozialpolitik der Großherzogin Luise; in: Die Großherzogin Luise von Baden. Tagungsband, erscheint 2025; Kerstin Lutzer: Der Badische Frauenverein 1859 – 1918. Rotes Kreuz, Fürsorge und Frauenfrage, Stuttgart, Berlin, Köln 2002 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B: Forschungen, Band 146).