
Herbert Karl Oskar Kraft
Lehrer, NS-Politiker, * 30. Mai 1886 Heidelberg, † 15. Januar 1946 Freiburg i. Br., ev./kath., später Austritt, ∞ 1920 Auguste Wiedel, 1 Tochter.
Herbert Kraft, Sohn eines Heidelbergers Oberrealschulprofessors, legte 1904 das Abitur ab und studierte – unterbrochen durch seinen Militärdienst – bis 1913 Germanistik und französische Romanistik in Marburg, Paris, München und Heidelberg. Nach dem Staatsexamen unterrichtete Kraft im ersten Halbjahr 1914 als Privatlehrer in England und kehrte zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach Deutschland zurück. 1914-1918 nahm er als Infanterist und Fliegeroffizier an Kampfhandlungen teil.
Unter dem Eindruck des Versailler Vertrags schloss sich Kraft 1919 vorübergehend dem Freikorps Grenzschutz Ost an, bevor er im Herbst desselben Jahres als Lehrer in den badischen Staatsdienst eintrat und 1920 zum Gymnasialprofessor an der Oberrealschule Pforzheim ernannt wurde. Als er 1929 von dort wegen seiner antidemokratischen Haltung und Agitation nach Mannheim versetzt wurde, knüpfte er dort nahtlos daran an, konnte aber wegen seiner Immunität als Landtagsabgeordneter erst im April 1932 seines Amtes enthoben werden.
Seit 1922 engagierte sich Kraft in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und trat ihr im Folgejahr bei. Nachdem er nach der Auflösung und Neugründung der Partei zeitweise der Deutschnationalen Volkspartei angehört hatte, fungierte er 1928-1933 als NSDAP-Ortsgruppenleiter in Pforzheim. Mehrfache Verhaftungen führten 1929 zu seiner Strafversetzung nach Mannheim, wo Kraft für den Wahlkreis Mannheim-Stadt in den badischen Landtag gewählt wurde. Dort übernahm er die Funktion des Geschäftsführer bzw. des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der NSDAP.
Auf parlamentarischer Ebene fiel Kraft weniger durch seine politische Arbeit auf, als vielmehr wegen asozialen Verhaltens gegenüber Kollegen. So erhielt er ein knappes Dutzend Ordnungsrufe, wurde viermal von Landtagssitzungen ausgeschlossen, darunter zweimal für 60 Tage, und sah sich mit drei gerichtlichen Strafverfahren und einem förmlichen Dienststrafverfahren konfrontiert, Kraft galt als "enfant terrible" des Badischen Landtags. Höhepunkte bildeten seine Ohrfeigenduelle mit dem Zentrumsabgeordneten Fridolin Heurich im Februar 1930, und 1932 mit dem Zentrumsabgeordneten Anton Hilbert.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Kraft 1933 zunächst zum Kommisssar "zur besonderen Verwendung" im Kultusministerium, dann zum Ministerialrat und Lweiter der Abteilung für Höhere Schulen ernannt. Das noch laufende Dienststrafverfahren gegen ihn war damit hinfällig. Außerdem amtierte er 1933/34 als Präsident des badischen Landtags und wurde 1934 Mitglied des Reichstags.
1940 ernannte ihn Robert Wagner zum Ministerialrat beim Chef der Zivilverwaltung Elsass, Abteilung Erziehung, Unterricht und Volksbildung. Zusätzlich wurde er zum Sportgauführer von Baden und dem Elsass ernannt und 1942 in die SS (Schutzstaffel) als Obersturmbannführer aufgenommen. Nach Kriegsende wurde Kraft von den französischen Militärbehörden inhaftiert. Trotz der Fürsprache des damaligen Freiburger Erzbischofs Conrad Gröber blieb er in Kriegsgefangenschaft und starb Anfang 1946 in einem Freiburger Internierungslager.
Quellen
GLA 231/10956 fol. 268; 235/38160, 456 E/6472.
Werk
Vom badischen Konkordat, in: Der Alemanne 2/25, 16. Januar 1932; Die Wertung der Höheren Schule als deutscher Kultur- und Machtfaktor durch das Ausland, in: Die badische Schule, Jg. 2, 1935/Die Fachschaften, S. 61-63; Die Richtlinien für die Leibeserziehung in Jungenschulen und ihre Anwendung in den deutschen Auslandsschulen, in: Der Deutsche Erzieher, Ausg. Gau Baden: Die badische Schule, Jg. 5, 1938, S. 61-63; Ansprache anläßlich der 500-Jahrfeier der Höheren Schule in Schlettstadt, in: Mitteilungsblatt des NSLB, Gauverwaltung Baden, Heft 2, 1942, S. 9 f.
Literatur
Alexander Mohr: "Ein gebildet sein wollender Mensch". Herbert Kraft, Präsident des Badischen Landtags, in: Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, hrsg. von Michael Kißener und Joachim Scholtyseck, Konstanz 1999, S. 311-332; Hans-Georg Merz: Kraft, Herbert Karl Oskar, in: Badische Biographien NF, Bd. III, hrsg. von Bernd Ottnad, Stuttgart 1990, S. 157-159; Frank Engehausen: Die NSDAP-Parteimitgliedschaft badischer Ministerailbeamter im "Dritten Reich". Fallbeispiele aus dem Kultusministerium und anderen Landesministerien, in: Christiane Kuller, Joachim Scholtyseck, Edgar Wolfrum (Hrsg.): Zwischen regionaler Selbstbehauptung und "Verreichlichung" : Beiträge zu Machtverhältnissen und Verwaltungskultur in den badischen und württembergischen Landesministerien in der Zeit des Nationalsozialismus, Ostfildern 2024, S. 111-130, S. 113 ff. (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B, Forschungen Bd. 234).