Hermann Weinkauff
Jurist, Präsident des Bundesgerichtshofs, * 10. Februar 1894 Trippstadt/Lkr. Kaiserslautern, † 9. Juli 1981 Heidelberg, ev., ∞ Maria Böhnlein, 2 Söhne.
Hermann Weinkauff wurde als Sohn des späteren Oberforstmeisters Karl August Weinkauf geboren. Aus der Familie waren seit mehreren Generationen Bedienstete des pfälzischen Forstdienstes hervorgegangen. 1912 legte er am humanistischen Gymnasium in Speyer das Abitur ab. Anschließend nahm er an der Universität München das Studium der Rechtswissenschaften auf. Kurz vor Kriegsbeginn konnte er noch seine Zwischenprüfung ablegen, dann meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und wurde überwiegend an der Front in Frankreich eingesetzt. Als Leutnant der Reserve kehrte er aus dem Krieg zurück und setzte 1919 sein Studium an den Universitäten Heidelberg und Würzburg fort. Ein Jahr später bestand er in Würzburg die erste juristische Staatsprüfung.
Nach kurzer Verwendung im bayerischen Landesjustizdienst wurde er bereits 1925 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an die Reichsanwaltschaft nach Leipzig abgeordnet. 1930 kehrte er in den bayerischen Justizdienst zurück, wurde aber 1932 erneut an die Reichsanwaltschaft entsandt. 1935 wurde er dem Reichsgericht als Hilfsrichter zugewiesen und arbeitete zunächst im 3. Strafsenat. Von Ende 1936 bis 1945 gehörte er dem I. Zivilsenat an, der überwiegend mit Patent- und Urheberrechtsstreitigkeiten befasst war. Im März 1937 wurde er zum planmäßigen Richter am Reichsgericht (Reichsgerichtsrat) ernannt. Bemerkenswert ist eine von Weinkauff im Auftrage des Reichsgerichtspräsidenten 1936 erstellte Stellungnahme zur beabsichtigten Verankerung des Führertums in der Strafrechtspflege, mit der eine Stärkung der Stellung des Strafgerichtsvorsitzenden umgesetzt werden sollte. Weinkauff sprach sich hierbei dezidiert und vielfach begründet für die Beibehaltung des überlieferten Kollegialprinzips aus.
Ende 1945 trat Weinkauff wieder in den bayerischen Justizdienst ein und wurde alsbald Präsident des Landgerichts Bamberg. 1949 wurde er in Nachfolge von Thomas Dehler zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg bestellt. Auf Veranlassung von Bundesjustizminister Dehler bereitete Weinkauff im Bundesjustizministerium den Aufbau des Bundesgerichtshofs vor und übernahm mit der Eröffnung des Gerichts zum 1. Oktober 1950 das Präsidentenamt. Im Bundesgerichtshof übte er zunächst den Vorsitz im I. Zivilsenat aus; mit der Errichtung des Kartellsenats im Jahre 1958 wurde er dessen Vorsitzender. Er selbst war von den westlichen Ideen nicht unbeeinflusst: Ein französischer Studienaufenthalt als junger bayerischer Richter pfälzischer Provenienz in den Zwanziger Jahren sowie eine mehrmonatige Studienreise durch die USA 1949/50 haben ihn stark beeindruckt. Sein bleibendes Verdienst ist es, den Bundesgerichtshof schon bald in einen funktionsfähigen Zustand gebracht zu haben. Am 31. März 1960 ist Weinkauff vorzeitig in den Ruhestand getreten. Zu seinem Nachfolger wurde der Präsident des Oberlandesgerichts Celle, Bruno Heusinger (1900-1987), berufen.
An der Naturrechtsdiskussion der Nachkriegszeit in Wissenschaft und Rechtsprechung, die als zeitbedingte Antwort auf das NS-Unrechtsregime zu verstehen ist, nahm Weinkauff aktiv teil. Eine Analyse der von ihm beeinflussten Entscheidungen der Großen Senate und der Vorlagegutachten zum Bundesverfassungsgericht ergab allerdings, dass angesichts der Vielzahl der auch von ihm mitgetragenen Entscheidungen von einer Naturrechtsrechtsprechung unter seiner Präsidentschaft nicht die Rede sein kann. Die explizit naturrechtlich ausgelegten und verfassungsrechtlich teilweise nicht unbedenklichen Erkenntnisse waren schon damals im Bundesgerichtshof höchst umstritten und vermochten die Rechtsprechung in der Folgezeit auch nicht zu beeinflussen.
Ein zentrales Anliegen des Präsidenten, dem 1951 die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg die Ehrendoktorwürde verlieh, betraf die Neugestaltung der Justiz. Seine Vorstellungen von einer Großen Justizreform, die stark durch angloamerikanische Vorbilder und Einflüsse geprägt waren, zeigen ihn als offene, unkonventionelle Positionen vertretende Persönlichkeit, die von seinen Zeitgenossen hochgeachtet, gleichwohl vielfach isoliert war. Seine Vorschläge wurden nicht umgesetzt. Im Ruhestand arbeitete Weinkauff am Projekt "Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus" des Instituts für Zeitgeschichte in leitender Funktion mit. Für den ersten Band verfasste er einen knapp 200seitigen "Überblick", in welchem deutliche Worte über manche NS-Juristen – wie etwa Karl Larenz, Theodor Maunz, Carl Schmitt – zu finden sind und der heute unterschiedlich beurteilt wird: So findet sich die Bewertung als "grundlegende Pionierarbeit" der damaligen Zeit; andere wiederum, die Weinkauff auch wegen seinen konservativen Grundpositionen kritisch gegenüber stehen, verwenden das Etikett "apologetisch". Seinen Ruhestand verbrachte er ganz überwiegend in seinem Haus in Karlsruhe-Rüppurr. Auf dem dortigen Friedhof wurde er beigesetzt.
Werk
Warum und wie Große Justizreform, Juristenjahrbuch 1960, S. 3-27; Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Neue Juristische Wochenschrift 1960, S. 1689-1696; Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Ein Überblick, Stuttgart 1968.
Literatur
Gerda Krüger-Nieland: Hermann Weinkauff †, Neue Juristische Wochenschrift 1981, S. 2235-2236; Walter Odersky: Hermann Weinkauff zur Erinnerung, Neue Juristische Wochenschrift 1994, S. 370-371; Daniel Herbe: Hermann Weinkauff (1894-1981), der erste Präsident des Bundesgerichtshofs, Tübingen 2008; Jörn Ernreuther: Hermann Weinkauff, in: Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, München 2009, S. 196-214; Detlev Fischer: Zwischen Leipzig und Karlsruhe, Rechtshistorische Reminiszenzen und Wechselwirkungen, Journal der Juristischen Zeitgeschichte 2015, S. 93, 103-104; Michael Kißener und Andreas Roth: Justiz im Umbruch. Die Geschichte des Bundesgerichtshofes 1950 bis 1965, 2 Bde., Berrlin/Boston 2025.